Leben mit einer tödlichen Diagnose
Marktoberdorf, 5. November 2025.
Mit der bewegenden Veranstaltung „Leben mit einer tödlichen Diagnose“, die vielen unter die Haut ging, machte das Palliativnetzwerk Kaufbeuren-Ostallgäu deutlich, dass Palliativversorgung weit über die Begleitung am Lebensende hinausgeht. Es geht um Leben – mit allem, was dazugehört: Schmerz, Hoffnung, Nähe und Abschied.
Der große Sitzungssaal im Landratsamt Marktoberdorf war bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 100 Gäste kamen, um mitzuerleben, wie aus einem Fachthema eine zutiefst menschliche Erfahrung wurde.
Organisiert als Gemeinschaftsprojekt vom Palliativ-Netzwerk Kaufbeuren Ostallgäu, bot der Nachmittag keine klassische Fortbildung mit Folien und Fachvorträgen, sondern ein außergewöhnliches dialogisches Bühnenstück: „Anna M. – Ein halbes Jahr mit einer Diagnose“. In der Hauptrolle berührte Monika Schmid als „Anna“ das Publikum mit einer bewegenden Darstellung einer Patientin, deren Lebensweg nach einer schweren Krebsdiagnose erzählt wurde – vom ersten Arztgespräch über Krankenhausaufenthalte, häusliche Pflege und Hospizbegleitung bis hin zum Lebensende.
Begleitet wurde Anna von zahlreichen Mitwirkenden aus dem gesamten palliativen Versorgungsnetz der Region Kaufbeuren-Ostallgäu: Ärztinnen, Pflegekräfte, Hospizdienste, Sozialdienste, die Klinikseelsorge, das SAPV-Team, die Lebenshilfe, die Pflegeberatung, der Wünschewagen Allgäu/Schwaben, das Allgäu Hospiz Kempten und viele weitere. Jede dieser Stimmen stand für eine Perspektive – für ein Puzzleteil im komplexen Versorgungsnetz, das dann am besten funktioniert, wenn alle gemeinsam handeln.
„Palliativarbeit bedeutet nicht, dass das Ende nah ist – sie bedeutet Leben, trotz Krankheit, mit Würde, mit Menschlichkeit“, betonte Sonja Hujo, Koordinatorin des Palliativnetzwerks Kaufbeuren-Ostallgäu, zu Beginn des Abends. Auch Gertrud Gellings, Stadträtin der Stadt Kaufbeuren und Beauftragte für Gesundheit und Pflege, sowie Gerhard Stadler, Leiter des Fachbereichs Soziale Entwicklung am Landratsamt Ostallgäu, unterstrichen in ihren Grußworten die Bedeutung der Palliativversorgung für die Region und würdigten das große Engagement des Netzwerks.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer folgten der Geschichte von Anna M. sichtlich bewegt. Sie sahen, wie Vernetzung wirkt: Wenn die Hausärztin mit dem SAPV-Team zusammenarbeitet, wenn Hospizbegleiter Zeit schenken, wenn die Pflegeberatung Orientierung gibt, wenn Krankenhaus, Sozialdienst und Ehrenamt Hand in Hand arbeiten. Das Stück zeigte eindrucksvoll, dass Palliativversorgung weit mehr ist als Sterbebegleitung – sie ist gelebte Menschlichkeit im Gesundheitssystem.
Im Anschluss an die Inszenierung nutzten viele Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit zu intensiven Gesprächen mit den Netzwerkpartnern. Zahlreiche Kontakte wurden geknüpft, Informationsmaterialien mitgenommen, und schon vor Ort erste Beratungstermine vereinbart.
„Das Interesse war überwältigend“, so Sonja Hujo. „Wir haben gemerkt, wie groß der Wunsch nach Information, Austausch und Verständnis für dieses Thema ist. Viele Menschen wollen wissen, welche Möglichkeiten es gibt – für sich, für Angehörige oder für Patientinnen und Patienten.“
Der späte Nachmittag endete mit einem sichtbaren Symbol: Alle Netzwerkpartnerinnen und -partner erhoben sich gemeinsam im Raum – still, aber kraftvoll – als Zeichen dafür, dass niemand diesen Weg allein gehen muss.
Bei einem kleinen Imbiss und Getränken, gespendet vom Catering Lausfehl Marktoberdorf, ergaben sich zahlreiche persönliche Gespräche. Für das Netzwerk war die Veranstaltung ein voller Erfolg – fachlich, organisatorisch und menschlich.
Angesichts der großen Nachfrage erwägt das Palliativnetzwerk Kaufbeuren-Ostallgäu, die Veranstaltung im kommenden Jahr zu wiederholen oder in ähnlicher Form fortzusetzen. Ziel bleibt, die palliativen Versorgungsangebote in der Region noch bekannter zu machen und Hemmschwellen im Umgang mit dem Thema zu senken.
„Dieses letzte halbe Jahr im Leben von Anna M. zeigt, wie viel möglich wird, wenn Menschen und Einrichtungen zusammenarbeiten – medizinisch, menschlich, ganzheitlich“, so das Fazit von Sonja Hujo. „Sterben ist nicht das Ende von Fürsorge. Es ist der Moment, in dem Begleitung am stärksten wird.“
Hintergrund:
Das Palliativnetzwerk Kaufbeuren-Ostallgäu ist ein Zusammenschluss zahlreicher Akteurinnen und Akteure aus Medizin, Pflege, Hospizarbeit, Sozialwesen und Ehrenamt. Ziel ist es, Menschen mit unheilbaren Erkrankungen und ihre Angehörigen zu begleiten – mit Kompetenz, Empathie und der Überzeugung, dass Würde und Lebensqualität keine Frage der Prognose sind.